pest (UA) (2015), Konstantin Küspert
Theater Regensburg

  • pest - Katrin Plötner - Theater Regensburg - Bild
  • pest - Katrin Plötner - Theater Regensburg - Bild
  • pest - Katrin Plötner - Theater Regensburg - Bild
  • pest - Katrin Plötner - Theater Regensburg - Bild
  • pest - Katrin Plötner - Theater Regensburg - Bild
  • pest - Katrin Plötner - Theater Regensburg - Bild
  • pest - Katrin Plötner - Theater Regensburg - Bild
  • pest - Katrin Plötner - Theater Regensburg - Bild
  • pest - Katrin Plötner - Theater Regensburg - Bild

Fotos: Jochen Quast

jede entscheidung hat konsequenzen. nichts ist egal.



Es spielen: Sina Reiß, Ulrike Requadt, Patrick O. Beck, Michael Haake und Jacob Keller


Bühne: Anneliese Neudecker


Kostüme: Lili Wanner


Musik: Markus Steinkellner


Dramaturgie: Jana Schulz

Für eine Regie kein leichtes Unterfangen, diese Textsammlung in eine szenische Form zu bringen. In ihrer Inszenierung hat Katrin Plötner sich zusammen mit ihrer Bühnenbildnerin Anneliese Neudecker für eine fast leere Bühne entschieden, in der alles aus dem Spiel des Ensembles heraus entstehen muss. Nach vorne hin rückt eine Art durchsichtiger Gazevorhang das Geschehen in eine traumhafte (oder traumatische?) Ferne, nach hinten ist der Raum durch eine schwarze Wand mit zwei Durchbrüchen abgeschlossen. Eine weitere Wand wird von den Spielern von rechts nach links bewegt. Bei den Katastrophenszenarien weht weißer und schwarzer, manchmal auch blauer Plastikmüll über die Bühne.
In der gestrafften Textfassung von Plötner wird das Geschehen entertainerhaft geformt. Drei Schauspieler (Sina Reiß, Patrick O. Beck und Michael Haake) in goldenen Jacken plaudern über ein Standmikro fast beiläufig, schauen zu, wie Angus, von Ulrike Requadt gespielt, seinen Sohn (Jacob Keller) fertig macht. Im Folgenden werden Rollen schnell gewechselt, das macht dieses Ensemble grandios.
Die Deutsche Bühne

Der junge, talentierte Fußballspieler Georgios soll nach dem Willen seines Vaters Erstliga-Profi werden und dafür die Schule sausen lassen. Je nachdem, wie er sich entscheidet, verläuft sein Schicksal, das des Vaters und das des ganzen Landes völlig anders. Am Ende aber immer letal. Küsperts auf diesen Schicksalsweichen aufgetürmte düstere Visionen sind vogelwild, ganz schön sperrig und ungeheuer unheilsschwanger. Durchaus eine Herausforderung. Katrin Plötner hat nun aus dem Text ein gut funktionierendes, handlich-praktikables, immer noch nicht so ganz leicht konsumierbares Destillat gemacht. Ein Zaumzeug, das den Zuschauer im Bann hält.
Plötner packt auf den Wust an Schicksalsvarianten - Terror, Tod und Katastrophen - nicht noch weitere Verästelungen drauf, sondern vertraut auf einige grundlegende Bildideen. Die Bühne (von Anneliese Neudecker) ist eine von zwei Flutlichtmasten umstandene schwarze Schachtel hinter Gaze, ein großer Schuber bewegt sich dann und wann hin und her, reinigt sie von abgelegten Abgelebten und jenen Unmengen an Plastikmüll - diese globalen, pestilenzartigen Insignien der modernen Verwüstungszivilisation - die immer wieder hereingeweht werden. [...]
Glitzer braucht Plötner für die Moderatoren-Ebene ihrer Inszenierung: den seitlichen Kommentarbereich. Dort erweitern Klang und Geräusche das Spiel um eine prägende, dauerpräsente Akustikfläche; da wird mikrofonverstärkt gesummt und gesungen, geknarzt und geknackt, gemauschelt und genuschelt, punktuell wird Musik von Markus Steinkellner dazu gereicht. So weitet sich der Raum ins Ungefähre: Denn das Stück mit seinen kaleidoskopartig ausufernden, unbändigen Erzählungen vom Kampf der - noch fiktiven - neuen Supermächte Indien und China gegen den Terrorimus, von den schrecklichen Folgen eines Laborunfalls, Revolte in den Städten, Depressionen eines Fußballprofis lebt von seinen visionären Unschärfen, vom gleichzeitigen Dasein unzähliger Schicksalsvarietäten.
Es sind letztlich die Schauspieler, die diese permanente Gleichzeitigkeit einsichtig und einleuchtend machen. Sie wechseln beständig die Rollen und schaffen dennoch im Mahlstrom der Unklarheit Klarheit durch ihre Präsenzen. [...] Im Reich der ungezählten Möglichkeiten hat Katrin Plötner eine sehr gute Möglichkeit gefunden, „pest“ zu inszenieren.
www.nachtkritik.de

Das wichtigste Werkzeug, um mehrere ausgewachsene globale Welten inklusive eines dystopischen Kriegsszenarios auf die kleine Bühne des Regensburger Theaters am Haidplatz zu klemmen, ist eine grüne Wand senkrecht zur Rampe, die quer über die Bühne geschoben und gezogen werden kann. Der kleine Weltenschieber von Anneliese Neudecker räumt sanft, aber kompromisslos ganze Kontinente ab, einschließlich ihrer Plastikabfälle am Bühnenboden. Mit einer Weltbevölkerung von fünf figurenflexiblen Schauspielern - Sina Reiß, Ulrike Requadt, Patrick O. Beck, Michael Haake und Jacob Keller - begradigt Regisseurin Katrin Plötner Küsperts Möglichkeitsdrama souverän in eine übersichtlich lineare 70-Minuten-Fassung.
Theater heute

Auf Anneliese Neudeckers Bühne, wo Uraufführungsregisseurin Katrin Plötner die Schauspieler in Mikros keckern, mümmeln, Werbejingles summen oder atmosphärische Umgebungsgeräusche machen lässt, schaut es so aus, als tauge dieses Terrorkommando der guten Laune und des Konsums als adäquates Gegengewicht zur Düsternis der Haupthandlungsstränge. [...]
So schnurrt die Inszenierung in einem guten Tempo und leidlich unterhaltsam ab, indem eine fahrbare Trennwand den bei besonders katastrophalen Wendungen hereinwehenden schwarz-weißen Plastikmüll mitsamt der in ihm gerade zu Tode Gekommenen von einer Seite respektive Welt zur anderen schiebt.
Süddeutsche Zeitung

Konstantin Küsperts „pest“ ist hervorragend inszeniertes Theater. [...]
Die Pest des 21. Jahrhunderts, das sind Ströme von Plastik, die unsere Erde, die Wüsten und Ozeane, fluten. Sie schwellen unaufhaltsam an. Auf der der Bühne des Theaters am Haidplatz begraben sie schon die Menschen unter sich. Ein griffiges Bild für die Apokalypse von Menschenhand: Die Kreatur erstickt unter Folienfetzen, verendet von Söldnerkugeln getroffen, zersetzt sich im Sperrfeuer radioaktiver Strahlung. Leid tut sie uns dabei nicht. Zwischen Not und Elend ist sogar ein Kichern möglich.
Katrin Plötner ist seit „Romeo und Julia“ und „Woyzeck“ in Regensburg bekannt als Regisseurin, die für ihre starken, unter die Haut gehenden Bilder auch zu dicken Pinseln greift. Sie holt aus Konstantin Küsperts am Haidplatz uraufgeführtem Theatertext „pest“ an Empathie für die Figuren raus, was nur irgendwie zu holen ist. [...]
Zwei gleichzeitig existierende Welten auf die Bühne zu bringen, ist ein Kunststück, das Anneliese Neudecker mit einer verschiebbaren Zwischenwand gelingt. Das wandernde Bühnenbild macht die Abweichungen und auch die Parallelitäten der beiden Welten sichtbar. Überhaupt greift die Inszenierung ganz tief in die große, wunderbare Trickkiste des Theaters, um den sehr kalkulierten, sehr kühlen, mitunter gewalttätigen Text mit Leben zu erfüllen. Die Schauspieler agieren über Strecken wie Kinder, die mit einem Fetzchen Stoff und einem Holzstecken unter Gebrüll in den Kampf ziehen. Es macht Spaß, sie dabei zu beobachten. Markus Steinkellners Musik verstärkt die endzeitliche Szenerie mit zersplitternden Sounds und dumpfen Einschlägen. Die launigen, „Ole, Ole“-Schlachtgesänge intonierenden, mit vollen Händen Plastik wie Konfetti werfenden Showmoderatoren verleihen dem bösen Spiel Komik, Absurdität und Monstrosität. Die Schiebewand räumt Leichen so rücksichtslos beiseite, dass man sich als Zuschauer ums die Unversehrtheit der Schauspieler sorgt. [...]
Katrin Plötner hat einen schwer zu greifenden Text in ein ansehnliches Bühnenstück verwandelt, das Dank komischer Momente Unerträgliches - gleichwohl Dinge, die mittlerweile unseren Alltag prägen - erträglich macht. [...] Nach 75 Minuten gibt es viel Applaus.
Mittelbayrische Zeitung

Mit „pest“ knallt Küspert der Regie einen Brocken hin, den man erst einmal bewältigen muss: eine Art Death-Metal-Version des guten, alten Bewusstseinsstroms. [...]
Die Inszenierung nimmt diese Bruchstückhaftigkeit auf, die Bühne (von Anneliese Neudecker) wird übersät mit Plastikmüll, die Globalpest der Gegenwart, ansonsten lässt Regisseurin Katrin Plötner die Visionen Küsperts klug in einem Zwischenreich des Ungefähren, der Groteske, der Unschärfe. Die Schauspieler wechseln ihre Rollen permanent durch, bauen mit Mikrofonen eine Geräusch- und Gemurmel-Ebene ein, eröffnen damit zugleich eine Moderatoren-Dimension, erzeugen Leben, das aus dem Plastikmüll zu kommen scheint und in ihn zurückkehrt. Müllschnipsel werden zu Sandmännchensand, mit dem die Spieler sich gegenseitig würzen: willkommen im Alptraumgespinst. Ein Schieber, der regelmäßig über die Bühne fährt, mischt Müll und Handlung immer wieder durch.
Die Spieler - Sina Reiß, Ulrike Requadt, Patrick O. Beck, Michael Haake und Jacob Keller - stemmen diese Rollenkaskade mit souveräner Beiläufigkeit und geben durch ihre Präsenz, ihre Spürbarkeit, ihre Nähe, den stark abstrakten Handlungsfäden konkrete Form. Es ist eine helle Freude, ein Theaterteam an einem dunklen, sperrigen, rätselhaften Stoff arbeiten zu sehen: Theater in den Untiefen von Texten, die Bühne als Paralelluniversum.
Donaupost

Aus der kleinen Bühne am Haidplatz holt das Team um Regisseurin Katrin Plötner bemerkenswert viel heraus. Es ist eine Menge Bewegung im Spiel, Müllschnipsel flattern durch die Luft, Leichen werden über den Boden gestreift, die Rollen werden im fliegenden Wechsel getauscht: Sina Reiß, Ulrike Requadt, Patrick O. Beck, Michael Haake und Jacob Keller verkörpern die wenigen Figuren gekonnt im Wechsel, was die Idee der Beliebigkeit möglicher Zukünfte ganz gut unterstreicht. [...]
Ein kurzes Stück von einer Stunde und fünfzehn Minuten, das durchwegs unterhaltsam ist. Vor allem deshalb, weil Überlegungen à la „Was wäre gewesen, wenn ...?“ Spaß machen, jedenfalls wenn man ein bisschen Phantasie hat. Die hatte das Publikum offenbar; der Premierenapplaus war entsprechend groß.
www.samtundselters.de

Diese Inszenierung von Katrin Plötner erfreut [...] durch eine geschlossene Ensembleleistung und durch gelungene Bilder: Wie die gute alte Seilmechanik dafür sorgt, dass „Welt 1" „weggeswosht" wird und wir uns plötzlich in den Paralleluniversen wiederfinden, das ist durchaus ein optisches Vergnügen.
Der neue Tag